Eng mit dem Thema Deutschland-Takt zusammen hänge auch ein Deutschland-Tarif. Thomas Geyer verwies darauf, dass es in Deutschland mehr als zwei Dutzend Aufgabenträger und noch mehr Verkehrsverbünde gebe. Der Traum von einem durchgehenden Ticket, mit dazugehöriger Einnahmenaufteilung, ließe sich eigentlich in Zeiten der Digitalisierung besser realisieren als jemals zuvor, ist sich Christiane Leonard sicher. Würde das Thema nicht bald von der Branche erfolgreich angegangen, werde sich ein Start-up finden, welches eine entsprechende App entwickelt, in der ÖPNV und andere Mobilitätsangebote aus einer Hand zu bekommen sei würden. Sandvoß gab ihr Recht, dass »ein Start-up, dessen Namen wir heute noch nicht kennen« das Thema Mobilität aus einer Hand erfolgreich umsetzen könnte, die Frage sei nur, ob in drei oder fünf Jahren. Die Zersplitterung hemme jedenfalls Innovationen, ein Start-up könnte da schneller sein; die Digitalisierung zerstöre etablierte Geschäftsmodelle.
Nach Geyers Meinung seien viele Jahre verschenkt worden, da in den zehn Jahren Deutschland-Takt nicht viel passiert sei, weil es alleine zehn Jahre gedauert hätte, die Politik davon zu überzeugen. Immerhin gebe es inzwischen ein Referat Deutschland-Takt im Verkehrsausschuss des Bundestages. Allerdings müsse die Branche mehr Druck auf die Politik ausüben.
Die überall losgetretene Debatte um einen ÖPNV zum Nulltarif nannte Geyer eine »Meisterleistung einer dackelhaften Kommunikationspolitik«. Seiner Meinung nach müsste es um eine Verbesserung der Tarife gehen, nicht um einen Nulltarif. Dabei seien nicht vordergründig die Verbundtarife zu überarbeiten, sondern die Fahrt über Verbundgrenzen hinaus.
Christiane Leonard verwies darauf, dass ein kostenloser ÖPNV nur im Moment der Nutzung kostenlos sei. Um eine Debatte um einen Nulltarif überhaupt führen zu können, müsste man wissen, was der ÖPNV im Einzelnen kostet – dabei könne auch das von BDO und Professor Rüdiger Sterzenbach initiierte Transparenzregister helfen. Die Kostenfeststellung sei nicht nur Voraussetzung für eine mögliche Einführung, sondern auch zur Verdeutlichung, dass ÖPNV eben nicht kostenlos ist. Jörg Sandvoß sprach grob von allein zwölf Milliarden Euro an Fahrgeldern, die derzeit eingenommen würden. Martin Schmitz betonte, dass bei einem Nulltarif oder einer Preissenkung nicht nur die Finanzierung zum Zeitpunkt des Starts klar sein müsse, sondern langfristig. Das beweise das häufig genannte Beispiel Wien mit einem Jahresabo für 365 Euro. Der starke Fahrgastanstieg zwinge nun zu einem Ausbau, dessen Finanzierung nach Angaben von Schmitz derzeit noch geklärt werden müsse.
Bezüglich einer Verdopplung der Fahrgastzahlen auf der Schiene bis 2030 zeigten sich die Diskussionsteilnehmer skeptisch. Das Netz gebe derzeit kaum mehr Kapazität her. Thomas Geyer verwies darauf, dass sich die Fahrgastzahlen in den vergangenen 15 Jahren um etwa 40 Prozent erhöht hätten. Dabei sei die Erhöhung vor allem auf einen Anstieg des gesamten Mobilitätsaufkommens zurückzuführen, da sich die Verhältnisse zwischen den Verkehrsträgern zugunsten des ÖPV kaum verändert hätten. Die Teilnehmer würden allerdings durchaus ein Steigerungspotenzial sehen, wenn man die Nicht-Nutzer oder Gelegenheitsfahrer mit einer Vereinfachung bei Tarif und Vertrieb für einen (häufigeren) Umstieg gewinnen könnte. (Foto: Sebastian Glinski)